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Klima & Neozoen

Deutschland hat eine neue Wildbienenart! – Aber was bedeutet das?

Bild: Makrowilli

Die Östliche Schlürfbiene (Rophites hartmanni) ist die neuste Wildbienenart in Deutschland. Damit sind nach neustem Stand (Scheuchl et al. 2023) 604 Wildbienenarten in Deutschland bekannt. Entdeckt wurde die Art im Rahmen einer Abschlussarbeit von einem Studenten in Regensburg, auch in Straubing wurde sie gefunden. Die bereits aus Linz bekannte Art dürfte das wärmebegünstige Donautal als Korridor genutzt haben-Das Tal gilt als Migrationsroute für viele Arten. Im Zuge dessen kommen aber auch Fragen auf. Zum Beispiel: Welchen Effekt können neue Arten in einem Gebiet haben oder welche Rolle spielt dabei der Klimawandel?

Die Östliche Schlürfbiene kommt, wie ihr Name schon verrät, hauptsächlich im Osten von Europavor. Die ursprünglich am Mittelmeer beheimatete Art ist sehr wärmeliebend. Die Schlürfbienen sind auf Lippenblütler (Lamiaceae) spezialisiert und besuchen besonders gerne den Aufrechten Ziest (Stachys recta) oder die Schwarznessel (Ballota nigra). Mit der östlichen Schlürfbiene hat die dritte Schlürfbienenart in Deutschland Einzug gehalten.

Agriozoe, Neozoe oder invasive Art?

Bei eingewanderten Tierarten unterscheidet man zwischen Neozoen, also vom Menschen direkt oder indirekt seit 1492 eingebrachte Arten, die nicht dauerhaft etabliert sein müssen, und Agriozoen, etablierte Neozoen, welche sich über Generationen halten. Unabhängig davon, wie eine Art in ein neues Gebiet gelangt und wie lange sie bleibt, können migrierte Arten zu invasiven Arten werden. Das bedeutet, dass sie dem bestehenden Ökosystem schaden oder die biologische Vielfalt gefährden. Zum Glück werden nur wenige gebietsfremde Arten zu invasiven Arten.

Warum wird eine Art invasiv?

Vielfältige Mechanismen spielen eine Rolle. Grundsätzlich kann eine Art nur invasiv werden, wenn das neue Gebiet geeignete Lebensbedingungen bietet. Ein weiterer wichtiger Faktor sind Prädatoren, Krankheiten und Parasiten. All diese hemmen Arten normalerweise in ihrer Ausbreitung und koevolvieren über einen langen Zeitraum mit ihnen. Kommt eine Art in ein neues Gebiet, lässt sie oft ihre Antagonisten vorerst zurück, damit hat sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber heimischen Arten und kann sich schnell ausbreiten. Die sogenannte „10er-Regel“ beschreibt aber sehr anschaulich, dass die wenigsten Arten überhaupt invasiv werden: Nur jede zehnte Art, die gebietsfremd auftritt, ist überhaupt im neuen Gebiet überlebensfähig, nur jede zehnte dieser überlebenden Arten ist in der Lage, sich zu etablieren und regelmäßig fortzupflanzen. Von den etablierten Arten wiederum wird nur jede zehnte Art zu einer Belastung für das bestehende Ökosystem und seine Arten und gilt als invasiv. Anders ausgedrückt: nur ca. 0,1-0,2% der neuen Arten werden invasiv. Es ist also äußerst unwahrscheinlich, dass sich die östliche Schlürfbiene zu einem Problem entwickeln wird.

Welche Rolle spielt der Klimawandel dabei?

Der Klimawandel spielt eine bedeutende Rolle in Bezug auf die Ausbreitung von gebietsfremden Arten und das erhöhte Risiko von Invasivität. Mit steigenden Temperaturen und veränderten klimatischen Bedingungen können sich Lebensräume verlagern und neue Bedingungen schaffen, die für einige Arten günstiger, für andere ungünstiger sind. Dies kann dazu führen, dass Arten, die zuvor in wärmeren Regionen beheimatet waren, in neue Gebiete vordringen und sich etablieren. Ein Beispiel dafür stellt der Götterbaum(Ailanthus altissima) dar. Er wurde hauptsächlich als Parkbaum in deutschen Städten eingeführt und konnte nur innerhalb der Wärmeinsel Stadt die kalte Jahreszeit überleben. Im Zuge des Klimawandels und der milder werdenden Winter breitet sich der Baum mit dem klangvollen Namen aber auch immer weiter außerhalb von Städten aus. Der Name Götterbaum geht auf das rasante Wachstum des Baumes zurück: Bis zu vier Meter pro Jahr wächst er „den Göttern entgegen“. Dieses schnelle Wachstum ist es, was ihn so gefährlich für unsere heimischen Ökosysteme macht und dazu führte, dass er 2019 auf den Index der invasiven Arten gesetzt wurde. Er überwächst rasant alle andere Vegetation und ist dabei äußerst genügsam im Bezug auf Nährstoffe. Das macht ihn zum Beispiel zu einer Bedrohung für ökologisch wertvolle Trockenrasenstandorte. In Ungarn und Italien gibt es bereits große Flächen von Trockenrasen und Macchie1, die überwuchert sind.

Die östliche Schlürfbiene (Rophites hartmanni) ist ein gutes Beispiel für eine Art, die durch die wärmeren Bedingungen begünstigt wird. Da sie ursprünglich aus der warmen Mittelmehrregion stammt und wärmeliebend ist, könnte der Klimawandel dazu beigetragen haben, dass sie in Deutschland eingewandert ist. Genauso könnten sich weitere gebietsfremde Arten aufgrund des Klimawandels in Deutschland einwandern und möglicherweise in Zukunft invasive Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt haben. Gerade solche Wärmekorridore wie das Donautal oder die im Artikel „Schlaglicht: Klimawandel und Wildbienen“ erwähnte Burgundische Pforte sind daher wichtige Ausgangspunkte für Artenmonitorings.

Es ist wichtig, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Verbreitung von Arten zu überwachen und dann geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die biologische Vielfalt zu schützen. Dies kann zum Beispiel beinhalten, invasive Arten zu kontrollieren und geeignete Lebensräume für einheimische Arten zu erhalten oder wiederherzustellen. Zusätzlich sind Forschung und Monitoring von gebietsfremden Arten von großer Bedeutung, um frühzeitig Maßnahmen ergreifen zu können, wenn sich eine Bedrohung durch eine invasive Art abzeichnet.

Insgesamt zeigt die Entdeckung der ersten Östlichen Schlürfbienen in Deutschland die Komplexität der Beziehung zwischen Artenmigration und Klimawandel. Es ist auch eine Erinnerung daran, wie wichtig es ist, unsere Umwelt sorgfältig zu beobachten, um die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die Tier- und Pflanzenwelt verstehen und Maßnahmen zu ihrem Schutz ergreifen zu können.

Erläuterungen

1 Macchie bezeichnet ein bestimmtes Ökosystem beziehungsweise einen Vegetationstyp. Eine Macchia ist in der Regel ein immergrüner Strauchwald oder eine buschige Vegetation, die hauptsächlich in den mediterranen Regionen vorkommt. Dieses Ökosystem besteht aus dicht stehenden Sträuchern, Büschen und niedrigen Bäumen und ist typisch für Regionen mit trockenen Sommern und milden, feuchten Wintern.

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