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Process Mining für Ingenieure

Prozesse datenbasiert verstehen und optimieren

Bild: Kindamorphic via Getty Images

Daten gelten als das Gold unserer Zeit – und dennoch tun sich viele Unternehmen schwer, diesen Schatz für die Optimierung ihrer Prozesse zu heben. Klassische Methoden stoßen dabei schnell an ihre Grenzen. Process Mining bietet hier einen datengetriebenen Ansatz, um Prozesse transparent zu machen und gezielt zu verbessern. Doch wie funktioniert das genau? Welche Vorteile bringt es – und für wen lohnt sich der Einsatz?

Unser Experte Alexander Decker gibt im Interview Einblicke in die Grundlagen, Anwendungsfelder und Herausforderungen von Process Mining.

VDI: Was genau versteht man unter Process Mining und warum ist es für Unternehmen so relevant?

Alexander Decker: Process Mining ist eine Methode zur datenbasierten Analyse und Visualisierung von Geschäftsprozessen. Indem reale Prozessdaten aus Systemen wie ERP, CRM oder Produktionssteuerung ausgewertet werden, entsteht ein objektives Bild der tatsächlichen Abläufe im Unternehmen. Das ermöglicht es, Schwachstellen, Abweichungen und Verbesserungspotenziale klar zu identifizieren – und zwar auf Basis von Fakten, nicht nur von Einschätzungen. In einer Zeit, in der Effizienz und Transparenz entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit sind, wird Process Mining zum Schlüsselwerkzeug für gezielte Optimierung.

Webinar Process Mining mit Alexander Decker am 06.05. 

In unserem Webinar lernen Sie die Grundlagen und typischen Anwendungsfelder von Process Mining kennen. 

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VDI: Worin unterscheidet sich Process Mining von klassischen Optimierungsmethoden – und welchen konkreten Mehrwert bietet es Unternehmen?

Alexander Decker: Klassische Ansätze basierend auf Interviews, Workshops oder Modellierungen haben in komplexen, digitalisierten Prozesslandschaften klare Grenzen. Sie basieren oft auf Annahmen oder subjektiven Einschätzungen – was dazu führt, dass wichtige Schwachstellen übersehen oder falsch priorisiert werden.

Process Mining setzt hier an und bringt einen entscheidenden Unterschied: Statt Einzelmeinungen betrachten wir Millionen reale Prozessdurchläufe – automatisch, vollständig und objektiv. Dadurch lassen sich Prozessabweichungen, Engpässe oder ineffiziente Schleifen schnell erkennen und bewerten. Das schafft nicht nur bessere Entscheidungen, sondern auch mehr Akzeptanz im Unternehmen – weil alle Beteiligten auf derselben, datenbasierten Grundlage arbeiten.

Ein Beispiel: Wenn ein Problem im Einkauf 100-mal monatlich auftritt, jeweils zwei Stunden Aufwand verursacht und den Prozess um zwei Tage verzögert, während ein anderes Problem in der Logistik nur fünfmal vorkommt und schnell lösbar ist, dann ist sofort klar, worauf sich die Maßnahmen konzentrieren sollten.

Später in der Umsetzung ist es außerdem sehr hilfreich, die Process Mining Datenmodelle regelmäßig und einfach zu aktualisieren. So können alle Beteiligten den Optimierungsfortschritt sehr transparent nachhalten und auch gegensteuern, falls einzelne Maßnahmen mal nicht greifen.

VDI: Welche Bereiche profitieren besonders von Process Mining und gibt es konkrete Anwendungsfälle?

Process Mining ist besonders wirksam in digitalen, wiederholbaren und abteilungsübergreifenden Prozessen mit hohem Volumen. Die Aufgabenstellung besteht häufig in der Effizienzsteigerung, Senkung der Durchlaufzeit, Reduzierung von Kapitalbindung und Steigerung von Compliance. Typische Anwendungsfelder sind:

  • Purchase-to-Pay (P2P): Aufdeckung von Maverick Buying, Verzögerungen bei Freigaben oder verpassten Skonti – mit dem Ziel, Kosten zu senken und Compliance zu verbessern.
  • Order-to-Cash (O2C): Identifikation von Liegezeiten und Prozessbrüchen – für schnellere Lieferungen, geringere Kapitalbindung und verbesserte Kundenzufriedenheit.
  • Supply Chain: Transparenz entlang der gesamten Lieferkette – etwa zur Reduktion von Lagerbeständen, Vermeidung von Engpässen oder Optimierung der Lieferfähigkeit.
  • ERP-Transformationen (z. B. SAP S/4HANA): Analyse realer Prozessvarianten zur gezielten Übernahme wertschöpfender Abläufe. Bei einem Industriekunden konnten so über 35 Prozessvarianten im Order-to-Cash auf die zehn wichtigsten reduziert werden – mit spürbaren Effizienzgewinnen und einer deutlich schlankeren neuen Systemlandschaft.

VDI: Gibt es typische Herausforderungen bei der Einführung von Process Mining und wie können Unternehmen diese bewältigen?

Alexander Decker: Ja – eine der größten Hürden ist die Erwartung, dass ein Tool allein schon monetär messbare Ergebnisse liefert. Doch wie bei jedem datengetriebenen Ansatz gilt: Die Qualität der Ergebnisse hängt stark davon ab, wie gut die Daten aufbereitet und interpretiert werden.

Außerdem ist es wichtig, frühzeitig Fachbereiche einzubeziehen. Denn nur wenn diese das Vorgehen und die Ergebnisse verstehen und mittragen, lassen sich daraus auch wirksame Maßnahmen ableiten. Erfolgreiche Unternehmen starten deshalb oft mit einem Pilotprojekt, sammeln erste Erfahrungen und bauen dann gezielt internes Know-how auf.

VDI: Können Sie ein Beispiel aus der Praxis nennen, bei dem Process Mining messbare Verbesserungen erzielt hat?

Alexander Decker: Ein klassisches Beispiel ist die Optimierung der Auftragsabwicklung: Im Order-to-Cash-Prozess konnten wir bei einem Maschinenbauunternehmen die Durchlaufzeit um rund 30 % senken – vor allem durch die Identifikation und Beseitigung unnötiger Liegezeiten. Die kürzere Lieferzeit freut den Kunden und die niedrigere Kapitalbindung den CFO.

Ein weiteres Beispiel: Ein Einzelhändler konnte durch die Optimierung des Prozesses zur Artikelstammdatenanlage die Time-to-Market um 50 % verkürzen – Produkte waren dadurch schneller im Regal und im Online-Shop verfügbar.

Ausblick auf das Webinar

Im einstündigen Webinar erhalten die Teilnehmenden einen praxisnahen Einblick in die Methodik, lernen typische Anwendungsfelder kennen und besprechen die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz von Process Mining. Außerdem zeigen wir ein einfaches Datenmodell und stellen exemplarische Analysen vor. Ziel ist es, den Teilnehmenden einen ersten, fundierten Zugang zum Thema zu ermöglichen. Die Erfahrung zeigt: Die datenbasierte Perspektive eröffnet völlig neue Sichtweisen auf Prozesse – und weckt bei den Teilnehmenden in der Regel sofort zahlreiche Ideen für eigene Anwendungsfälle.

Zur Person

Alexander Decker ist Unternehmensberater mit über zehn Jahren Erfahrung in der datenbasierten Optimierung von Geschäftsprozessen – insbesondere in der Supply Chain. Sein Fokus liegt auf dem Einsatz moderner Analyseverfahren wie Process Mining, um Transparenz zu schaffen, Effizienzpotenziale zu heben und Veränderungen nachhaltig im Unternehmen zu verankern.

Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Berlin (Dipl.-Ing.) und International Business/Finance an der NHH in Bergen (M.Sc.) startete er 2013 seine Laufbahn in der Unternehmensberatung. Seither begleitet er Unternehmen weltweit – von mittelständischen Industrieunternehmen bis zu international tätigen Konzernen – bei der digitalen Transformation und der datengetriebenen Prozessverbesserung.

Autorin: Gudrun Huneke

Ansprechpartner für Webinare:
Sebastian Nakötter
E-Mail: webconex@vdi.de

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