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Jede Wildbienenart ist anders

Wildbienen und Klimawandel

Viele der mindestens 569 Wildbienenarten Deutschlands (Westrich 2018) sind in ihrem Bestand bedroht. Ein wichtiger Grund dafür sind die intensivierte Landnutzung mit Pestizideinsatz und der Verlust von Nahrungs- und Nistmöglichkeiten. Doch was bedeutet eigentlich der Klimawandel für die Wildbienen?

Während sich beispielsweise erhöhte Durchschnittstemperaturen negativ auf das Überleben mancher Wildbienenarten auswirken, könnten andere Arten von den veränderten Lebensbedingungen profitieren. Es wird davon ausgegangen, dass sogenannte Generalisten im Vorteil sind, die zum Beispiel ein breites Spektrum an Temperaturen vertragen und viele verschiedene Nahrungspflanzen nutzen, während gerade Spezialisten bei veränderten Umweltbedingungen in Schwierigkeiten geraten  könnten (siehe z.B. Cariveau & Winfree 2015;  Fründ et al. 2013; Hoiss et al. 2012). 

 

Erhöhter Konkurrenzdruck

Generell konkurrieren Arten, die in Lebensräumen mit günstigen Umweltbedingungen vorkommen, miteinander um das Nahrungsangebot, während Spezialisten zwar an extreme Umweltbedingungen angepasst sein können, aber wenig in Konkurrenz mit anderen Arten stehen. Die Auswirkungen des Klimawandels könnten dieses Gleichgewicht beeinträchtigen. So prognostizieren Biologen, dass bei steigender Durchschnittstemperatur wärmeliebende Wildbienenarten in alpine Lebensräume vordringen und dort bisher lebende Wildbienenarten verdrängen könnten (Hoiss et al. 2012). 


Zur falschen Zeit am falschen Ort

Die Temperatur spielt eine große Rolle für die Regulation von Wildbienenschlupf und Blühbeginn. Wildbienen sind beispielsweise darauf angewiesen, dass beim Schlupf ihre jeweiligen Nahrungspflanzen blühen und Pollen und Nektar bereitstellen. Auch hier entstehen durch die Auswirkungen des Klimawandels neue Lebensbedingungen. So haben Forscherinnen und Forscher der Universität Würzburg in einem Experiment untersucht, wie sich steigende Temperaturen auf die Blütezeit der Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) und ihre wichtigsten wilden Bestäuber, die Rote Mauerbiene (Osmia bicornis) und die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) auswirken. Dabei wurde gezeigt, dass bei steigender Temperatur die Blütezeit der Küchenschelle früher einsetzt, während der Schlupf der beiden Wildbienenarten erst nach der Blütezeit erfolgt (Kehrberger & Holzschuh 2019). Damit könnte es in dieser Zeit an Bestäubern für die Küchenschelle fehlen. Genauso bedeutet ein verfrühter Schlupf Nahrungsmangel für die Gehörnte und Rote Mauerbiene. Hier führt bereits eine Zeitversetzung von drei bis sechs Tagen zwischen Wildbienenschlupf und Blühbeginn der Nahrungspflanze zu verringertem Überleben sowie verminderter Aktivität und Reproduktion der Wildbienen (Schenk et al. 2018). Wenn in Folge des Klimawandels bestimmte Blütenpflanzen selten werden oder in manchen Gebieten verschwinden, kann es daher gerade für spezialisierte Wildbienen, die auf wenige Nahrungspflanzen angewiesen sind, an Nahrungspflanzen fehlen (siehe auch Miller-Struttmann et al. 2015). 

Auch steigende Temperaturen im Winter wirken sich auf die Wildbienen aus.  Generell gilt hier: Je höher die Temperatur, desto schneller der Stoffwechsel und die Entwicklung. In einem Experiment untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Göttingen daher, wie sich erhöhte Temperaturen auf den Schlupfzeitpunkt von neun Wildbienenarten mit verschiedenen Überwinterungsstrategien auswirkt. In dem Experiment schlüpften Wildbienenarten wie die Gehörnte Mauerbiene, die als ausgewachsene Biene im Kokon überwintern, zu früh und erlitten einen Gewichtsverlust. Dagegen waren Wildbienenarten, die als Larve überwintern, nicht negativ von den veränderten Winterbedingungen betroffen (Fründ et al. 2013). 

 

Vielfältige Anpassungen – reicht das aus?

Wildbienen sind aber auch in der Lage, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. So erwirken Hummeln mit gezielten Stichen in die Blätter ihrer Nahrungspflanzen einen früheren Blühbeginn bei einigen Pflanzenarten (Pashalidou et al. 2020). In einem anderen Experiment der Würzburger Forscherinnen und Forscher produzierten Mauerbienen bei Nahrungsmangel mehr männliche als weibliche Nachkommen, die kleiner sind und weniger Nahrung benötigen. Sie bauten auch weniger Nester und steigerten ihre Aktivität (z.B. Flugbewegungen) erst zum Ende ihrer Lebenszeit. Diesen Anpassungen zum Trotz wurden die Wildbienen in ihrem Überleben jedoch negativ durch den Nahrungsmangel beeinflusst (Schenk et al. 2018). Generell gilt: Je größer die Artenvielfalt der Wildbienen und je größer die Diversität der Blütenpflanzen, desto weniger macht sich der Einfluss des Klimawandels auf Ökosystemfunktionen wie die Bestäubung bemerkbar (Bartomeus et al. 2013).

Fest steht: Jede Wildbienenart ist anders, und der Klimawandel kann ein Problem für das Überleben von Wildbienenarten darstellen. Der Klimawandel ist ein weiterer Faktor, der neben anderen – wie die intensivierte Landwirtschaft – einen Einfluss auf die Funktion von Ökosystemen, die Artenvielfalt und damit auch auf Häufigkeit der verschiedenen Wildbienenarten haben kann. 

 

Hintergrund: 

Mit dem Verbundprojekt BienABest soll die Ökosystemleistung "Bestäubung durch Wildbienen" gesichert und bundesweit wieder gesteigert werden. Dazu werden Verfahren zur Etablierung von Wildbienenhabitaten in der Agrarlandschaft entwickelt und standardisiert. Zudem werden Methoden zur bestandsschonenden Erfassung von Wildbienen entwickelt und standardisiert, die im Anschluss an das Projekt als Basis für ein systematisches Monitoring genutzt werden können. Diese methodischen Grundlagen können auch für die Erfassung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Wildbienenvielfalt verwendet werden.

Das Projekt BienABest wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) gefördert. Weiterhin wird das Projekt vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-WürttembergBASF SE und der Bayer AG finanziell unterstützt.

Weitere Informationen über BienABest: www.bienabest.de und www.facebook.com/bienabest 

Ihre Ansprechpartnerin im VDI:
Dr. Ljuba Woppowa
Verbundkoordinatorin und Projektleiterin Standardisierungsprojekt
VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences (VDI-TLS)
Telefon: +49 211 6214-314
Telefax: +49 211 6214-97314
E-Mail: tls@vdi.de

Quellen/weitere Links:

  • Bartomeus, I., Park, M. G., Gibbs, J., Danforth, B. N., Lakso, A. N., & Winfree, R. (2013). Biodiversity ensures plant–pollinator phenological synchrony against climate change. Ecology letters, 16(11), 1331-1338.
     
  • Cariveau, D. P., & Winfree, R. (2015). Causes of variation in wild bee responses to anthropogenic drivers. Current Opinion in Insect Science, 10, 104-109.
     
  • Fründ, J., Zieger, S. L., & Tscharntke, T. (2013). Response diversity of wild bees to overwintering temperatures. Oecologia, 173(4), 1639-1648
     
  • Hoiss, B., Krauss, J., Potts, S. G., Roberts, S., & Steffan-Dewenter, I. (2012). Altitude acts as an environmental filter on phylogenetic composition, traits and diversity in bee communities. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 279(1746), 4447-4456.
     
  • Miller-Struttmann, N. E., Geib, J. C., Franklin, J. D., Kevan, P. G., Holdo, R. M., Ebert-May, D., et al. & Galen, C. (2015). Functional mismatch in a bumble bee pollination mutualism under climate change. Science, 349(6255), 1541-1544.
     
  • Kehrberger, S., & Holzschuh, A. (2019). Warmer temperatures advance flowering in a spring plant more strongly than emergence of two solitary spring bee species. PloS one, 14(6).
     
  • Schenk, M., Krauss, J., & Holzschuh, A. (2018). Desynchronizations in bee–plant interactions cause severe fitness losses in solitary bees. Journal of Animal Ecology, 87(1), 139-149.
     
  • Pashalidou, F. G., Lambert, H., Peybernes, T., Mescher, M. C., & De Moraes, C. M. (2020). Bumble bees damage plant leaves and accelerate flower production when pollen is scarce. Science, 368(6493), 881-884.
     
  • Westrich, P. (2018). Die Wildbienen Deutschlands. Verlag Eugen Ulmer. ISBN 978-3818601232.
     
  • www.wissenschaft.de/umwelt-natur/hummel-bisse-lassen-blueten-spriessen/
     
  • www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/klimawandel-bedroht-heimische-bienenarten/
     
  • www.planeterde.de/news/wie-der-klimawandel-beziehungen-stoert
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